25.04.2025, 07:05 Uhr
Von: Marvin K. Hoffmann
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Leverkusen wird in einem Ranking als „Scheidungshauptstadt“ Deutschlands bezeichnet. Ein Paar- und Familientherapeut zeigt sich darüber empört und gibt Tipps für eine harmonische Ehe.
Leverkusen/Hamm – „Da hat wohl ein Praktikant oder wer auch immer, die Zahlen wild durcheinander gewirbelt“, sagt Xaver Büschel. Der Paar- und Familientherapeut aus Bonn echauffiert sich über ein Ranking, das Anfang April durch die Medien geisterte. Eine Agentur hatte zuvor die Umfrage einer „Online-Anwaltskanzlei“ aufgegriffen und verbreitet. Darin wurde eine Stadt in NRW zu Deutschlands „Scheidungshauptstadt“ erklärt. „Das ist völlig absurd“, sagt Beziehungsexperte Büschel. Mit der Meinung ist er nicht allein.
Ranking macht Stadt in NRW zu Deutschlands Scheidungshauptstadt – „Das ist absurd“
„Leverkusen hat die höchste Scheidungsquote unter den größten deutschen Städten. In der nordrhein-westfälischen Stadt wurden im Jahr 2023 insgesamt 516 Ehen geschlossen und auf der anderen Seite 467 bestehende Ehen geschieden, wie die Onlinerechtsanwaltskanzlei Larfirm in einer der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Analyse von Daten von 100 Standesämtern herausfand“, heißt es dazu in dem Bericht. Der Vergleich, er hinkt allerdings – anders als in anderen Rankings – gewaltig.
„Die Zahlen können aus unserer Sicht nicht einfach in Relation gesetzt werden, weil Paare, die in Leverkusen geschieden werden, unter Umständen schon vor Jahrzehnten und unter Umständen woanders geheiratet haben“, erklärt ein Sprecher der Stadt Leverkusen auf wa.de-Nachfrage. „Statistisch kamen damit auf 100 Eheschließungen in Leverkusen 91 Scheidungen“, heißt es in dem Ranking. Alleine diese hohe Quote bei der vermeintlich lupenreinen Statistik ließ bereits aufhorchen.
Je länger eine Ehe hält, desto seltener wird die geschieden
Der Bundesdurchschnitt für Scheidungen liege Xaver Büschel zufolge in den ersten sechs Jahren einer Ehe zwischen 45 Prozent bis 55 Prozent, manchmal auch 60 Prozent. „Nach den ersten sechs Jahren nimmt das mit Zunahme der Jahre proportional ab“, sagt der Paar- und Familientherapeut, der auf eine 40-jährige Berufserfahrung zurückblickt und schon so manchen Beziehungen die Liebe zurückbrachte. Er ergänzt: „Deswegen bin ich sofort über die 91 Prozent in Leverkusen gestolpert. Das wäre sehr eigenartig. Die 91 Prozent sind nicht seriös ermittelt worden.“
Die absolute Zahl der Scheidungen zeigt dafür aber eines klar: Nicht alle Paare in NRW sind glücklich in ihren Ehen oder Beziehungen. Auch deutschlandweit nicht. Das liegt auf der Hand. Das ist keine Überraschung. Mehrere Faktoren sind ausschlaggebend.
Kommunikation in einer Ehe bzw. Beziehung ist wichtig
„Die Kommunikation spielt zu 99 Prozent in einer Ehe eine dominante Rolle“, sagt Büschel. Wer spätestens in einer Ehe das Reden nicht gelernt habe, werde „zwangsläufig absaufen“. So weit muss es nach Ansicht des Beziehungsexperten aber gar nicht erst kommen. Fünf Faktoren seien ihm zufolge maßgeblich für eine erfolgreiche Ehe bzw. Beziehung:
- Ehrlichkeit
- Glaubwürdigkeit
- Respekt
- Achtung vor dem Anderen
- Eigenarten zu tolerieren und zu berücksichtigen
Was aber, wenn diese Stellschrauben allesamt ziemlich locker sind? Was, wenn ein Partner notorisch lügt und betrügt? Was, wenn der Respekt flöten geht? Was, wenn die Eigenarten des einen den anderen komplett auf die Palme bringen? Auch hierfür gibt es Lösungen – die Scheidung als solche, egal ob in Leverkusen oder anderswo, sollte daher immer erst die Ultima Ratio sein.
Paartherapeut aus NRW empfiehlt bei Krisen eine räumliche Trennung
„Ich empfehle Paaren, die den Weg zu mir finden, eine geografische Trennung“, sagt Xaver Büschel. Sein Vorschlag in solchen Ehekrisen: Einer zieht für ein halbes Jahr – eine Art Probezeit – aus; aber man trifft sich ein- oder zweimal die Woche. Dann schaut man in Begleitung der Paartherapie, welchen Stellenwert der Partner noch im Leben hat. „Manche Paare finden über diesen Weg wieder zueinander – aber das ist wirklich eine kleine Minderheit“, sagt Büschel. Das Problem: Es gibt eigentlich immer eine Vorgeschichte. „Meistens baut sich Frust, Enttäuschung über Jahre auf“, so der Paar- und Familientherapeut.
Ein erstes Warnzeichen so einer kriselnden Liebe kann eine nur noch oberflächlich stattfindende Kommunikation sein: wenn Paare nur noch darüber diskutieren, wie man den Tag oder die Woche managen kann – das Emotionale bleibt dann auf der Strecke. „Wir brauchen alle Routine – auch im Ehe-Alltag“, meint Büschel. Dadurch würden wir uns in der Kompliziertheit unseres Lebens zurechtfinden. „Aber wenn die Lebendigkeit und die Leichtigkeit des Seins einer Beziehung verloren gehen, dann ist das pures Gift“, sagt er. Seine Gegenmittel: „Freundlichkeit, Liebe, der gemeinsame Sex und dass man Dinge gemeinsam stemmt und gemeinsam Probleme löst.“
So gelingt es nicht nur, eine liebevolle Ehe zu führen, sondern man vermeidet auch, als Zahl in einem unseriösen Scheidungsranking zu landen – denn das will ja nun wirklich niemand.
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